Alles gut beim Leergut? Verpackungslogistik in SAP

Ob Produktionsmaterialien, Erzeugnisse und Handelsware – dass diese Dinge in SAP im Bestand geführt und alle Bewegungen gebucht werden, ist meist kaum eine Frage. Ladungsträger hingegen fristen oft ein Schattendasein. Zu Unrecht. Der SAP-Standard bietet Funktionen, um diese zu verwalten. Welche, und was getan werden muss, um diese effizient zu nutzen, lesen Sie hier.

Eines vorweg: Leergut, Ladungsträger oder Verpackung – nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich tue es auch. Klar, hier und da existieren feine Unterschiede. Dennoch verwende ich diese Begriffe in diesem Beitrag synonym. Schließlich folgt auch die Nomenklatur in diversen SAP-Unterlagen diesem Ansatz.

Ansonsten unterscheidet sich die Leergut-Verwaltung nicht grundsätzlich von jener für andere Materialien. Eine Reihe von Anforderungen überschneiden sich, ein paar gelten speziell für diese:

  • Bestandsführung und Verfolgbarkeit: Bewegungen von Leergut sollen sowohl mengen- als auch wertmäßig gebucht werden, wobei hier grundsätzlich unterschieden werden muss zwischen gebundenem und ungebundenem Leergut.
  • Disposition: Wie auch direkte Materialien werden Ladungsträger für die Produktion benötigt und können bei Out-of-Stock-Szenarien Stillstände verursachen. Daher müssen diese ebenfalls disponiert werden, um sie dann am richtigen Ort zur richtigen Zeit zur Verfügung zu haben.
  • Führung von Leihgutkonten: Da Ladungsträger oft über die gesamte Supply Chain ausgetauscht werden, wird ein Tool benötigt, um nachzuvollziehen, in welchem Besitz und wo sich diese befinden.
  • Automatische Abrechnungen und Pfand

 

In SAP gibt es einige Funktionen, die diese Anforderungen abbilden.

  • Bestandsführung
  • Handling Unit Management
  • Leergutverwaltung
  • Leihgutkontoverwaltung

 

Teilweise überschneiden sich diese bzw. decken Anforderungen ähnlich, aber doch anders ab. Je nach Bedarf und Umfeld gilt es deshalb, die passenden Tools aus diesen Funktionen auszuwählen und so einzurichten, dass diese nahtlos interagieren.

Bestandsführung

Wie jedes andere Material auch, können Verpackungsmaterialien in Bestand und Wert gebucht werden, sofern dies die dafür vorgesehene Materialart zulässt. Weiters kann an die Bestandsführung im Inventory Management (IM) ein Extended Warehouse Management (EWM) oder Warehouse Management (WM) bzw. Stock Room Management angebunden werden, nachzulesen in diesem Blogeintrag. Im einfachsten Fall werden leere Ladungsträger bei Erhalt im Wareneingang und bei Verbrauch auf eine Kostenstelle oder einen Fertigungsauftrag gebucht. Somit hat man stets einen Überblick wie viele leere Verpackungsmaterialien zur Verfügung stehen.

Möchte man dieselbe Info zu gebundenen Ladungsträgern ermitteln, kann dies durch den Einsatz von Handling Unit Management ermöglicht werden. Beim Wareneingang können direkte Materialien in Handling Units verpackt werden, wobei hier genau angegeben werden kann, in welche Ladungsträger und Packhilfsmittel gepackt wird. Damit weiß man, welche Handling Units auf Bestand sind und welche Packmaterialien diese enthalten, was wiederum in weiterer Folge erlaubt, die Anzahl an gebundenen Ladungsträgern zu ermitteln.

Gleichzeitig können auch gebundene Ladungsträger im Bestand gebucht werden, wobei ein eigener Lagerort nur für gebundenes Leergut empfohlen wird. Das ist insbesondere von Bedeutung, da es nicht nur die Ermittlung deren Anzahl erleichtert, sondern auch gleichzeitig Voraussetzung für einige der weiter unten noch zu erläuternden Funktionen ist.

Möchte man nun nicht jedes Material manuell verpacken und die Bestände einzeln buchen, bietet SAP folgende Hilfsmittel:

Automatisches Verpacken

Pro verpacktem Material können in den Stammdaten ein- oder mehrstufige Packvorschriften inklusive Ladungsträger und Packhilfsmittel sowie eine Findung dieser gepflegt werden. Passiert dies korrekt, können Materialien in An- oder Auslieferungen automatisch verpackt werden.

Automatische Generierung von Lieferpositionen

Im Customizing kann eingerichtet werden, dass zu den Packmaterialien aus den in Lieferungen verpackten Handling Units automatisch Lieferpositionen generiert werden. Dazu muss im Customizing der Lieferart das Generieren von Lieferpositionen für Packmittel eingestellt sein und die Packmittelart eine Lieferpositionsgenerierung vorschlagen.

Abhängig von der Positionstypengruppe am Materialstamm der Packmaterialien können für diese Positionen unterschiedliche Positionstypen in der Lieferung ermittelt werden. An diesen kann eingestellt werden, wie sich diese verhalten sollen, ob sie beispielsweise in Folgebelege wie Fakturen übernommen oder in Warenbewegungen gebucht werden.

BAdI für andere Bewegungen

Mit den eben angeführten Methoden lassen sich nur bei jenen Buchungen automatische Warenbewegungen von Packmitteln erzeugen, die über An- oder Auslieferungen durchgeführt werden. Wird ein Material jedoch beispielsweise nur umgepackt, kann im Standard keine automatische Bewegung der verwendeten oder freiwerdenden Verpackungsmaterialien erzeugt werden.

Hier hilft das SAP BAdI BADI_HU_SAVE. Das Plug-In, das bei jeder Änderung einer Handling Unit durchlaufen wird, kann selbst entwickelt werden und erlaubt so beispielsweise zu implementieren, dass ein Leergut, welches für eine Verpackung verwendet wird, von einem Lagerort für ungebundene Ladungsträger auf einen für gebundene umgebucht wird.

Disposition

Wenn der Bestand von leeren Ladungsträgern zeitnah gebucht wird, sind schon alle Voraussetzungen für eine korrekte Disposition gegeben. Die Verpackungsmaterialien können wie jedes andere Material auch vom MRP geplant, alle zur Verfügung stehenden Dispositionstypen (verbrauchs- und bedarfsgesteuert) und Losgrößenverfahren verwendet werden.

Wichtig dabei ist, dass dabei der Bestand von gebundenem Leergut nicht berücksichtigt wird, da dieses ja nicht zur Verpackung verwendet werden kann. Dies wird sichergestellt, indem es entweder gar nicht im Bestand oder aber auf eigenen Lagerorten beziehungsweise Dispositionsbereichen, die von der Bedarfsplanung nicht berücksichtigt werden, geführt wird.

Führung von Leihgutkonten

Für die Führung von Leergutkonten von Lieferanten oder Kunden bietet SAP zwei Applikationen mit ähnlichen Funktionen an:

  • Leergutverwaltung: Diese stammt ursprünglich aus der Industry Solution für Consumer Products und wurde entwickelt, um die Verwaltung von Mehrwegtransportverpackungen inklusive Pfandabwicklung über die Supply Chain hinweg abzuwickeln
  • Leihgutkontoverwaltung: Diese stammt ursprünglich aus der Automobilindustrie. Hierbei stellen OEMs (Original Equipment Manufacturer) ihren Lieferanten Leergut als Leihgut zur Verfügung, in denen diese dann ihre Materialien verpacken und direkt oder über Dritte liefern. Die Leihgutverwaltung wurde entwickelt, um diese Verleih- und Ausleihbeziehungen zwischen Geschäftspartnern zu verwalten.

Leergutverwaltung

Voraussetzung für die Verwendung der Leergutverwaltung ist die Aktivierung des Enterprise Add-Ons EA-CP in den ECC Extensions (Business Functions). Im Customizing muss folgendes eingerichtet sein:

  • Eigene Materialart mit Materialkennung Leergut, die Mengenfortschreibung ist verpflichtend, die Wertfortschreibung optional
  • Customizing von eigenen Positionstypen für die Leergutverwaltung (inklusive Kopiersteuerung bis zur Faktura)
  • Customizing Vertrieb à Fakturierung à Leergutfortschreibung
    • Definition von Faktura-Arten mit Leergutfortschreibung
    • Leergut-Kontoinhaber festlegen: Hier kann definiert werden, unter welchem Business Partner der Faktura ein Leergutkonto geführt wird.
    • Leergutfelder definieren: Welche Felder der Faktura sollen mengen- bzw. wertmäßig fortgeschrieben werden?
    • Positionstypen zu Leergutfeldern zuordnen
    • Optional: Leergutgruppen festlegen, um einzelne Leergutmaterialien zu gruppieren
    • Optional: Berechnungsmatrix für Leergut pflegen, um ein Leergutfeld mit arithmetischen Funktionen aus anderen Feldern abzuleiten
    • Nummernkreis für Leergutfortschreibung einrichten

 

Wer dies getan hat, muss für eine funktionierende Leergutverwaltung noch folgende Stammdaten pflegen:

  • Materialstamm: Positionstypengruppe für Leergut, Gewichte, Leergutgruppe
  • Debitorenstamm: Partnerrolle, welche im Customizing als Kontoführer definiert wurde, Leergut-Bepfandung ausschalten, Leergutfortschreibung ausschalten
  • Stückliste: über den Stücklistentyp 5 (Vertriebsstückliste) können einem Material Leergutmaterialien zugeordnet werden.

Leergutabwicklung in der Materialwirtschaft (MM)

Beim Anlegen der Bestellung kann Vollgut inklusive gebundenes Leergut (optional automatisch generiert über die Stückliste) oder ungebundenes Leergut erfasst werden. Voraussetzung ist die Aktivierung von BAdI /BEV1/NE_ITEM_PO zur Findung und Vorbelegung der Kontierung, ohne welches die Leergutabwicklung im MM nicht funktioniert. Ladungsträger, die zum Lieferanten zurückgehen, können als Retourenpositionen erfasst werden.

Während gebundenes Leergut für den Wareneingang nicht relevant ist, wird ungebundenes Leergut im Bestand gebucht. Beim Buchen der Eingangsrechnung können Menge und Wert des Leergutes korrigiert werden. Weiters werden mit der Buchung die Bewegungen und Salden am Leergutkonto fortgeschrieben, wobei hereinkommendes und zurückgegebenes Leergut gegeneinander verrechnet werden kann.

Leergutabwicklung im Vertrieb (SD)

Beim Anlegen des Kundenauftrages kann Vollgut inklusive gebundenes Leergut (optional automatisch generiert über die Stückliste) oder ungebundenes Leergut erfasst werden. Alternativ dazu kann Leergut auch – wie oben beschrieben – in Form von Leergutpositionen in der Lieferung über verpackte Handling Units generiert werden.

Eingehendes Leergut von Kunden kann über Retourenlieferungen abgebildet werden. Über die Kopiersteuerung muss jedoch sichergestellt werden, dass das Leergut in der Faktura landet, auch wenn dieses kostenlos ist, da nur hier die Fortschreibung auf die Leergutkonten erfolgt.

Auswertung von Leergutkonten

Bewegungen von gebundenem und ungebundenem Leergut können in der Transaktion /BEV1/EMS, die Salden pro Kunde und Lieferant in Transaktion /BEV1/EMA ausgewertet (und letztere auch exportiert und gedruckt) werden.

Auszug Leergutkonto

Leihgutkontoverwaltung

Die Leihgutkontoverwaltung ist Teil von allen SAP S/4HANA Systemen, wobei folgendes Customizing unter Materialwirtschaft à Leihgutkontoverwaltung eingerichtet werden muss:

  • Nummernkreise für diverse Objekte der Leihgutkontoverwaltung (siehe Customizing Leitfaden) müssen eingerichtet werden.
  • Kontobuchungsarten für die Leihgutbuchungen müssen angelegt werden.
  • Kontobuchungen hängen immer an Materialbewegungen, weswegen die Kontobuchungsarten zu MM-Bewegungsarten zugeordnet werden müssen.

 

Folgende Stammdaten werden benötigt:

  • Materialstamm: Positionstypengruppe für Leergut, Gewichte
  • Leihgutkonto: Es stellt die Verbindung zwischen Leihgut, Werk und Kunde / Lieferant her (Relation). Neben einer Hauptrelation können auch Nebenrelationen hinzugefügt werden. So können beispielsweise die Buchungen von verschiedenen Lieferanten oder Kunden zu einem Leihgutkonto zusammengefasst werden.

Leihgutkontobuchungen

Voraussetzung für eine Kontobuchung ist immer eine Materialbewegung des Leergutes. Ausgenommen davon sind nur manuelle Kontobuchungen, die dann aber wiederum nur ein Konto bebuchen und keinen Bestand verändern.

Wird ein Leihgut mit einer relevanten MM-Bewegungsart gebucht, so wird also ebenfalls eine Kontobuchung angestoßen. Neben dem Werk und Leihgut wird der Warenempfänger (Lieferant und Kunde) ermittelt und ein Leihgutkonto, welches eine Relation mit den drei betroffenen Objekten enthält, bebucht. Kann beispielsweise kein Warenempfänger ermittelt werden oder gibt es kein Konto zu der bebuchten Relation, so ist die Bewegung fehlerhaft, kann aber in einer eigenen Transaktion für fehlerhafte Buchungen ausgewertet und korrigiert werden.

Neben automatischen können auch manuelle Buchungen angestoßen werden, um Sonderprozesse abzubilden oder Buchungen nachzufassen.

Auswertung von Leihgutkonten

Im SAP-Menü unter Logistik à Materialwirtschaft à Leihgutkontoverwaltung können alle Bewegungen und Konten nach verschiedenen Selektionskriterien ausgewertet werden. Weiters können Kontoauszüge erstellt, gedruckt oder per EDI versendet werden. Nach Erhalt eines EDI-Auszuges eines Partners können die Konten abgeglichen werden.

Auszug Leihgutkonto

Fazit: Alles gut beim Leergut

Wie wir gesehen und gelesen haben: Leergut kann wie jedes andere Material im Bestand gebucht werden – und das mit relativ überschaubarem Aufwand. Positiv zu vermerken ist, dass zwischen gebundenem und ungebundenem Leergut unterschieden werden kann und somit eine wichtige Voraussetzung für professionelle Verwaltung gegeben ist. Die Buchungen können immer dann automatisch erfolgen, wenn die Bewegung über An- oder Auslieferungen gebucht und in Handling Units verpackt werden.

Andere Bewegungen oder Umpackvorgänge werden im SAP-Standard zwar nicht unterstützt, können aber über ein BAdI im Handling Unit Management kundenspezifisch implementiert werden. Mit einem korrekten Bestand von Ladungsträgern können diese in Folge dann auch im SAP-Standard disponiert werden.

Der Austausch von Ladungsträgern mit Business Partnern kann mit den Funktionen Leergutverwaltung und Leihgutkontoführung abgebildet werden. Die Leergutverwaltung wird bei Fakturierung bebucht und ist darauf ausgelegt, den Austausch von Leergut inklusive Pfand mit Geschäftspartnern abzurechnen. Die Leihgutkontoführung wiederum dient dazu festzuhalten, welche Partner einem Leergut schulden bzw. wem man selbst Ladungsträger schuldet. Die Konten werden mit Warenbewegungen gebucht und ihre Stärken liegen in der Flexibilität (verschiedene Warenempfänger können zu einem Konto zusammengefasst werden) und in einem automatisierten Abgleich per EDI aller Bewegungen zwischen Geschäftspartnern.

Alles in allem lässt sich also festhalten: Es ist alles gut beim Leergut! Wer einen kompletten Überblick über seine Warenwirtschaft haben will, muss und sollte Verpackungslogistik auch in SAP einbinden. Und wer beim „Verpacken“ Unterstützung braucht, dem helfen wir bei SRB gerne.

 

Weiterführende Links

Verpacken bei An- und Auslieferung

Leergutverwaltung

Leihgutkontoverwaltung

 

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